Bayerisches Agenturgebäude in Sambach (Frensdorf–Schlüsselfeld, 2016)

Das Bayerische Agenturgebäude war ein normierter Entwurf für Betriebsgebäude auf Zwischenbahnhöfen kleiner Nebenbahnen der Königlich Bayerischen Staatseisenbahnen. Es wurde in Varianten ab den 1890er Jahren beim Neubau von Lokalbahnen im Bereich des bayerischen Schienennetzes in großer Zahl errichtet. Dadurch wurde es zu einem typischen Merkmal nachrangiger Bahnstrecken in ganz Bayern.[1] Das Agenturgebäude war optimiert für die Notwendigkeiten des ländlichen Personen- und Güterverkehrs mit minimalem Personalaufwand.

Geschichte

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Vorgeschichte

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Seit 1869 wurde Bayern abseits des Hauptbahnnetzes durch sogenannte „Vizinalbahnen“ erschlossen, an deren Finanzierung sich die Anrainergemeinden erheblich beteiligen mussten.[2] Bei der Erbauung solcher Strecken galten zwar vereinfachte Standards, etwa hinsichtlich der zulässigen Kurvenradien oder Steigungen, man orientierte sich hinsichtlich Trassierung und Ausstattung grundsätzlich aber dennoch an den Erfahrungswerten, die man beim Bau der Magistralen gewonnen hatte. So findet sich etwa am Bahnhof Witzighausen an der als Vizinalbahn errichteten Bahnstrecke Senden–Weißenhorn ein ansehnliches Empfangsgebäude in Ortsnähe, das zur Ersparnis eines größeren Geländeeinschnitts jedoch erheblich oberhalb der Gleise errichtet wurde.

Aufgrund der großen Belastung der Gemeinden war dem Finanzierungsmodell allerdings kein nachhaltiger Erfolg beschieden, und nur wenige derartige Vizinalbahnen entstanden bis Anfang der 1880er Jahre. Nachdem der Bedarf an nachgeordneten Bahnstrecken aber gleichzeitig wuchs, wurde 1882 die unbefriedigende Gesetzeslage bezüglich der Finanzierung novelliert, so dass neue Nebenbahnen fortan einfacher und günstiger gebaut werden konnten.[3]

Der Gesetzentwurf über die Erbauung der ersten dreizehn dieser sogenannten „Lokalbahnen“ nach den neuen Finanzierungsregeln wurde durch den zuständigen Staatsminister des Äußeren, Friedrich Krafft von Crailsheim, der Kammer der Abgeordneten am 12. Dezember 1883 zur Entscheidung vorgelegt.[4][5] Gleichzeitig überreichte er eine insgesamt 105 Seiten lange Denkschrift über die gesetzgeberischen Motive.[6] Auf den ersten 25 Seiten des Memorandums beschreibt die Staatsregierung in großem Detail, wie aus ihrer Sicht Nebenbahnstrecken zukünftig kostengünstig projektiert, gebaut und betrieben werden sollen.[6] Wichtige Merkmale bayerischer Lokalbahnen finden sich bereits in diesem Text, darunter auch die typische Anlage der Zwischenstationen.[6]

„Die Stationsanlagen sollen (…) in der allereinfachsten Weise, nur dem jeweiligen Bedürfnisse entsprechend, hergestellt werden.

Der bei denselben am meisten vorkommende Typus ist jener der Haltestellen mit Güterabfertigung, bei welchen vorausgesetzt ist, daß der gesammte Lokaldienst nur von einem Bediensteten gehandhabt wird. Dementsprechend ist die Gebäudeanlage so gedacht, dass alle Dienstlokalitäten im unmittelbaren Zusammenhange unter sich und mit der Wohnung des Haltestellers zu liegen kommen. Das Haltestellgebäude erhält im Erdgeschosse auf der Perronseite ein Dienst- und ein Warte-Zimmer, in deren Zwischenwand sich ein Schalter für Abgabe von Billeten und Poststücken befindet und in direkter Verbindung mit erstem ein geräumiges Wohnzimmer mit anstoßender Küche, welche den Zugang aus einem abgeschlossenen, Holzlege, Stall, Futterraum, Abort, Kehrichtgrube, Brunnen u. s. w. enthaltenden Hofraum erhält. In dem Dachraum sind zwei bewohnbare Kammern und ein Speicher untergebracht, so daß hiemit für möglichst bequeme, wenn auch nicht zu umfangreiche Unterbringung des Haltestellers und dessen Familie Sorge getragen ist. An der dem Einsteigeperron zugekehrten Seite des Ökonomiehofes befindet sich der öffentliche Abort, sowie ein Lokal für Requisiten und Brennmaterial des Dienstes. Eine kleine Ladehalle ist in unmittelbarer Nähe des Haltestellgebäudes richtet, so dass der Haltesteller von seinem Dienstzimmer aus mit wenigen Schritten dieselbe und zwar auf einem gedeckten Gange erreichen kann.

Die Geleiseanlage soll dem jeweiligen Bedürfnisse angepasst werden und wird in der Regel außer dem durchgehend Geleise nur eine kurze, die Ladehalle unmittelbar berührende Schleife und ein anschließendes Sackgeleise mit Bodenwaage und Laderampe enthalten. Im Bedürfnisfalle, wenn z. B. Wagenladungsgüter zur Aufgabe gelangen, wie Holz, Steine u. s. w., welche eines größeren Lagerplatzes bedürfen, kann ein zweites Sackgeleise in der entgegengesetzten Richtung des ersteren angelegt werden, sowie auch bei einzelnen Haltestellen, in welchen voraussichtlich Stückgüter nicht zur Aufgabe gelangen, die Erbauung der Ladehalle vorläufig unterbleiben wird. Da der Haltesteller neben seinen übrigen Geschäften auch die Stellung der Weichen zu besorgen hat, so sollen entweder die Weichengestänge bis an den Perron zusammengeführt oder solche Signalvorrichtungen angebracht werden, daß dem Lokomotivführer eine etwaige unrichtige Weichenstellung mit voller Sicherheit angezeigt wird. Auf Zugskreuzungen, welche an den kurzen Lokalbahnen überhaupt nur ausnahmsweise vorkommen werden, ist diese Geleiseanlage nicht berechnet, doch die Möglichkeit unter Benutzung des Sackgeleises auch hier gegeben.“

Motive zum Entwurf eines Gesetzes, die Herstellung von Bahnen lokaler Bedeutung betreffend, § 19[6]

Entwicklung des Agenturgebäudes

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Dieses erste Lokalbahngesetz wurde vom Landtag angenommen und erlangte am 21. April 1884 Gültigkeit.[5] Genehmigt wurde damit der Bau der Bahnstrecke Landsberg am Lech–Schongau, der Bahnstrecke Passau–Pocking[7] und weiterer Strecken.[5]

Bahnhöfe dort noch größer und nahe an dem, was in den Motiven zum ersten Lokalbahngesetz festgelegt wurde

Typenentwürfe an Hauptbahnen, etwa Georg Friedrich Seidel für Bahnstrecke Buchloe–Memmingen[8]

Keine Bediensteten, sondern Agenten, dadurch Entfall des Wohnbereiches

vgl Typenentwurf 16/H für Aufnahmsgebäude der k.k. österreichischen Staatsbahnen

1892 Entwicklung Richtung Agenturgebäude auf Bahnstrecke Günzburg–Krumbach[9]

später mehr Freiheit: Abänderungen bei Agenturen, bei größeren Bauwerke mit individuellen Entwürfen

Keine Fertiggebäude! Variabilität für lokale Anpassung, v.a. bei späteren Bauten: Gespiegelt, unterschiedliche Ausführung insbesondere der bahnseitigen Laderampe, manchmal ohne Toilette (Staudenbahn), manchmal nur Güterhalle ohne Dienstraum (Dickenreishausen, Hellengerst), mit Schlafraum (Schauberg an Bahnstrecke Pressig-Rothenkirchen–Tettau[10], Lautrach?)

Spätere Erweiterungen

  • Totalumbau (Türkheim (Bay) Markt)
  • Teilumbauten Ettringen, Fischach
  • Verlängerungen: Steinbach (Allg) Wohnungsanbau, Walkertshofen verlängerte Güterhalle

Typischer Aufbau

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Gebäude

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Das Agenturgebäude bestand hauptsächlich aus einem Dienstraum für einen Bahnagenten, einem Warteraum mit Schalter, einer Toilette und einer Güterhalle. Letztere verfügte über zwei Laderampen, so dass sowohl bahn- als auch straßenseitig Frachtgut umgeschlagen werden konnte. Die bahnseitige Laderampe konnte dabei oft über eine schräge Rampe entlang der Stirnseite auch stufenfrei erreicht werden, um etwa Tiere oder schwere Güter von einem Güterwagen auf Straßenniveau bringen zu können.

Bahnanlagen

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Niedriger Bahnsteig vor Gebäude, oft direkt am Streckengleis (aber nicht immer: Ermengerst, Sibratshofen)

Hinter Güterhalle Weiche in Nebengleis, mit 1 oder 2 Stumpfgleisen und Laderampe

Beispiele

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Literatur

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  • Robert Zintl: Bayerische Nebenbahnen. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1977, ISBN 3-87943-531-6, Bautechnisches, S. 56–66.
  • Kerstin Schäfer: Die Hochbauten der oberfränkischen Nebenbahnen. Geschichte, Bestand und Umnutzung. Band 1. Eisenbahn Fachbuch Verlag, Coburg 2013, ISBN 978-3-944237-05-3, Die Hochbauten der oberfränkischen Nebenbahnen: Zeitliche Entwicklung und Bautypen, S. 35–63.

Einzelnachweise

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  1. Zintl: Bayerische Nebenbahnen.
  2. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der bayerischen Kammer der Abgeordneten. Zwangzigste öffentliche Sitzung. Band 1, Nr. 20. München 12. Dezember 1883, S. 336–337 (digitale-sammlungen.de [abgerufen am 4. Oktober 2024]).
  3. a b c
  4. a b c d Motive zum Entwurf eines Gesetzes, die Herstellung von Bahnen lokaler Bedeutung betreffend. Beilage 55. In: Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages im Jahre 1883. Band 1. München 1883, S. 447–551 (digitale-sammlungen.de [abgerufen am 4. Oktober 2024] Allgemeine Ausführungen zu den neuen Bahnstrecken auf S. 448–472, konkret zu den hier relevanten Haltestellen auf S. 456).
  5. Später verlängert bis Neumarkt-Sankt Veit.
  6. Thorsten Marr, Antje Scherner: Der Neubau des Pasinger Bahnhofs und die Bahnlinie von München nach Memmingen (1869–1875). In: Pasinger Fabrik (Hrsg.): Ein Jahrhundert wird mobil! Von Pasing nach Augsburg, Memmingen, Starnberg und Herrsching. Vier Bahnlinien und ihre Bahnhöfe von 1839 bis heute. Buchendorfer Verlag, München 1994, ISBN 3-927984-33-7, S. 41–57.
  7. Später verlängert bis Pfaffenhausen und Mindelheim.
  8. Schäfer: Die Hochbauten… S. 185.
  9. a b Private Website über die Gleichbergbahn. Archiviert vom Original am 25. Juni 2015;.
  10. Faller 131389, ex Pola 660. (Spur H0)
  11. Faller 212105. Abgerufen am 13. September 2024. (Spur N)
  12. Spur 1 Fachwerkhaus. Abgerufen am 13. September 2024. (Spur 1)