Gefechte an der Murglinie

Serie von Gefechten am Unterlauf der Murg während der Badischen Revolution im Juni 1849

Die Gefechte an der Murglinie waren eine militärische Auseinandersetzung zwischen der badisch-pfälzischen Revolutionsarmee und Truppen des Deutschen Bundes während der Badischen Revolution im Juni 1849. Als Murglinie wurde die Verteidigungsstellung der revolutionären Verbände bezeichnet. Sie verlief entlang der Murg von der Flussmündung bei Steinmauern über Rastatt bis nach Gernsbach und sollte verhindern, dass die zur Niederschlagung der Revolution in Nordbaden eingedrungenen Bundestruppen in südliche Landesteile vorstoßen. Im Verlauf einer Serie von Gefechten vom 28. bis 30. Juni 1849 wurde die Revolutionsarmee an der Murg vernichtend geschlagen.

Gefechte an der Murglinie
Teil von: Badische Revolution
Datum 28. bis 30. Juni 1849
Ort Unterlauf der Murg in Mittelbaden
Casus Belli Intervention des Deutschen Bundes zur Niederschlagung der revolutionären Aufstände in Südwestdeutschland
Ausgang vernichtende Niederlage der Revolutionstruppen
Folgen Niederschlagung der Revolution in Baden
Konfliktparteien

Badisch-pfälzische Revolutionsarmee: vier Divisionen, bestehend aus regulären badischen Armeeeinheiten, Volkswehrbataillonen und Freischaren

Bundesarmee: zwei preußische Armeekorps sowie weitere Truppenkontingente aus verschiedenen Staaten des Deutschen Bundes (Neckarkorps)

Befehlshaber

General Ludwik Mieroslawski

Prinz Wilhelm von Preußen (preußische Korps); General Eduard von Peucker (Neckarkorps)

Truppenstärke

ca. 13.000 Kämpfer; ca. 60 Geschütze

ca. 60.000 Soldaten; ca. 100 Geschütze

Verluste

nicht bekannt, vermutlich ein Vielfaches der gegnerischen Verluste

etwas mehr als 300 verwundete und tote Soldaten

Politische und militärische Vorgeschichte

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Nach dem Militär- und Volksaufstand vom 12. Mai 1849 und der Flucht des badischen Großherzogs Leopold am 14. Mai übernahm eine provisorische revolutionäre Regierung die Amtsgeschäfte in Baden. Der Großherzog ersuchte aus dem Exil beim Deutschen Bund um militärische Unterstützung zur Niederschlagung der Revolution. Zu diesem Zweck wurden unter der Führung des preußischen Kronprinzen Wilhelm zwei preußische Interventionskorps unter den Generalen Moritz von Hirschfeld (1. Korps) und Karl von der Groeben (2. Korps) in Bewegung gesetzt. General Eduard von Peucker befehligte eine dritte Armee, das Neckarkorps, das sich aus Truppen verschiedener Staaten des Deutschen Bundes (Bundestruppen) zusammensetzte.[1]

Die badische Revolutionsregierung konnte den polnischen General Ludwik Mieroslawski gewinnen, eine Revolutionsarmee anzuführen, die sich aus regulären badischen Armeeeinheiten, einberufenen Volkswehrbataillonen und revolutionären Freischaren aus aller Herren Länder zusammensetzte.[2][3]

Am 20. Juni setzte ein preußisches Interventionskorps bei Germersheim über den Rhein. Auch von Norden und Nordosten rückten weitere alliierte Truppenverbände auf Baden zu. Am 21. Juni kam es bei Waghäusel zu einem Gefecht, dessen unglücklicher Ausgang für die revolutionären badischen Truppen einen fluchtartigen Rückzug auf eine im Süden neu aufzubauende Verteidigungslinie unausweichlich machte.[4] Ein weiteres Vordringen der Interventionstruppen in südlichere Landesteile sollte unter allen Umständen verhindert werden.

Militärtaktische Überlegungen und Maßnahmen bei der Errichtung der Murglinie

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Der die engste Stelle Badens querende Unterlauf der Murg und weitere geographische Gegebenheiten der Rheinebene bei Rastatt stellten ideale Voraussetzungen für eine militärische Verteidigung gegen die aus dem Norden angreifenden Interventionstruppen dar. Im Westen bildete der Rhein mit der Grenze nach Frankreich, im Osten die Höhenzüge des Nordschwarzwaldes einen natürlichen Schutz. Auch die Murgdämme sowie der Bahndamm der Bahnlinie Karlsruhe-Rastatt stellten bereits vorhandene Schutzwälle dar, die in das Verteidigungskonzept eingebunden werden konnten.[5]

Den Mittelpunkt der Verteidigungslinie im Rheintal bildete die Festung Rastatt, deren starke Geschützbatterien eine Reichweite bis zum Rhein und zu den Rändern des Schwarzwalds hatten, womit ein großer Teil des Gefechtsfeldes unter Beschuss genommen werden konnte.[5] An einigen strategisch bedeutsamen Stellen, beispielsweise am Federbach vor Rastatt, wurden in aller Eile Schanzen für die Artillerie errichtet und Schützengraben ausgehoben.[6][7]

Innerhalb von nur vier Tagen wurde eine Verteidigungslinie errichtet, die von Steinmauern am Rhein bis Gernsbach im Murgtal mit seiner Stadtbefestigung reichte. Die geringe Ausdehnung von lediglich ca. 22 Kilometern ermöglichte es bei Bedarf, die vorhandenen Truppenkontingente innerhalb weniger Stunden an jeden beliebigen Ort der Abwehrstellung zu verlegen.[8]

Die Möglichkeit, dass Interventionstruppen über das neutrale Königreich Württemberg die Murglinie umgehen und über Gernsbach, Baden-Baden und Oos der Revolutionsarmee in den Rücken fallen könnten, wurde von Mieroslawski durchaus erkannt.[9] Bei der Aufstellung der Truppenkontingente entlang der Verteidigungslinie trug der General nach Meinung einiger seiner Kommandeure dieser Gefahr aber nicht ausreichend Rechnung. Es kam zu heftigen Kontroversen im revolutionären Generalstab, die in Forderungen nach Absetzung Mieroslawskis gipfelten. Tatsächlich sollte sich schließlich die mangelhafte Sicherung Gernsbachs als entscheidender Schwachpunkt des Verteidigungskonzeptes erweisen.[10]

Aufstellung der Truppenkontingente an der Murglinie

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Am 26. Juni befahl General Mieroslawki seinen Verbänden, Stellung an der Murg zu beziehen. Eine Truppenbesichtigung am Tag zuvor hatte ergeben, dass das Revolutionsheer – durch die bisherigen Gefechte, Auflösungserscheinungen und Desertionen während des Rückzugs aus Nordbaden bereits um die Hälfte dezimiert – auf nur noch 13.000 Mann mit 60 Geschützen zusammengeschmolzen war.[11] Damit stand die geschundene revolutionäre Armee an der Murg mit nur vier Divisionen einer übermächtigen Streitmacht von 60.000 gut ausgebildeten und mit modernster Kriegstechnik ausgerüsteten Soldaten gegenüber.

Johann Philipp Becker, der sein Hauptquartier vor Rastatt an der Federbachbrücke hatte, führte die 1. Division der Revolutionsarmee mit Einheiten in Steinmauern, Ötigheim und Bietigheim. Die 2. Division unter dem Kommando von Ludwik Oborski lag bei der Kuppenheimer Murgbrücke mit einer starken Vorhut bei Muggensturm. Die von August Mersy geführte 3. Division nahm Stellung in Rotenfels und sollte den Verteidigungsabschnitt von Bischweier bis Gernsbach abdecken. Die aus lediglich zwei schlecht ausgerüsteten pfälzischen Volkswehrbataillonen und zwei Geschützen bestehende 4. Division unter Ludwig Blenker lag bei Gernsbach vorgeschoben bis an die württembergische Grenze.[12][13]

 
Aufstellung der Truppenkontingente an der Murglinie unmittelbar vor Beginn der Kampfhandlungen im Juni 1849. Schwarz: Alliierte Interventionstruppen. Rot: Einheiten der badischen Revolutionsarmee. Kartenmaterial aus: Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Teil 2. Genf, 1849.

Chronologischer Überblick über die Gefechte an der Murglinie

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Ein preußischer Vorposten am Eisenbahndamm von Niederbühl.

Gefechtslage am 28. Juni

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Die beiden preußischen Korps unter den Generalen Hirschfeld und Von der Groeben rückten von Karlsruhe und Ettlingen aus in breiter Front auf die Murglinie vor. Der preußische Operationsplan ordnete erste leichte Erkundungsvorstöße[14] gegen die badischen Stellungen im Rheintal von Steinmauern über Ötigheim bis Muggensturm an. "Ernste Gefechte" sollten an diesem Tag ausdrücklich noch vermieden werden.[15]

Nach einem kurzen Kampf musste Waldprechtsweier von den Freiheitstruppen aufgegeben werden.[16] Ötigheim wurde von preußischen Truppen zunächst besetzt, konnte aber am Abend durch eine Kompanie der von Philipp Becker im Schweizer Exil gegründeten Deutschen Flüchtlingslegion zurückerobert werden.[17] Einheiten des 1. preußischen Korps, die über die Schwarzwalddörfer Schöllbronn, Völkersbach und Freiolsheim anrückten, nahmen Michelbach ein. Am Nachmittag eroberte das Willichsche Freikorps mit wenig Aufwand die im Tal liegende Ortschaft zurück und lieferte sich mit den Preußen von Berghang zu Berghang Scharmützel.[18]

Wie vom revolutionären Generalstab befürchtet, hatte sich im Tagesverlauf das von Peucker geführte Neckarkorps von Ettlingen aus über das Albtal auf württembergisches Gebiet begeben und marschierte über Herrenalb und Loffenau auf den schwach gesicherten rechten Flügel der Murglinie bei Gernsbach zu.[19]

Gefechtslage am 29. Juni

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Prinz Wilhelm von Preußen am Bildstöckel von Muggensturm, das ihn im Gefecht bei Bischweier vor Verwundung geschützt haben soll.

Der preußische Operationsplan für diesen Tag sah vor, die in der Rheinebene rechts der Murg in ihren Abwehrstellungen liegenden Freiheitstruppen hinter den Fluss zu drängen: „Alles was vom Feinde diesseits der Murg ist, muss hinüber!“.[20] Am Vormittag griffen preußische Einheiten auf der gesamten Linie von Steinmauern bis Gaggenau-Rotenfels an. Es entbrannten schwere Abwehrkämpfe. Ein Hauptschwerpunkt der Gefechte lag an den Verschanzungen des Federbachs vom Niederwald bei Rastatt bis zu der von Muggensturm nach Kuppenheim führenden Straße. Ein zweiter Schwerpunkt lag bei Dörfern Oberweier und Bischweier sowie dem Weiler Winkel.[18]

Gefecht am Federbach

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Am Federbach vor Rastatt widerstanden die Freiheitstruppen nicht nur der preußischen Übermacht, sie gingen im Laufe des Nachmittags selbst zum Angriff über. So konnte das von den Preußen im Kampf zunächst eingenommene Rauental zurückerobert werden. In Rastatt, wo man die Kämpfe gebannt verfolgte, glaubte man sich zwischenzeitlich schon als Sieger und ordnete am Abend an, die Stadt als Zeichen des Triumphes zu illuminieren.[18] Die Verluste am Federbach waren für beide Seiten beträchtlich. Vor allem aber für die Revolutionstruppen, denn die Preußen hatten nur wenige Gefangene gemacht.[21] Während man den gefallenen preußischen Soldaten später ein Denkmal errichtete, wurden zahlreiche Freiheitskämpfer an Ort und Stelle nur notdürftig verscharrt. Der aus der Erde dringende Verwesungsgeruch habe noch viele Wochen später die Pferde auf der Landstraße scheuen lassen.[22]

 
Badische Artilleristen im Kampf an einer Schanze bei Kuppenheim.
 
Gefecht bei Kuppenheim am 29. Juni 1849.
 
Preußische Soldaten überwältigen erschöpfte badische Freischärler.

Gefecht bei Bischweier

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Bei Bischweier und den umliegenden Ortschaften wogten die Gefechte hin und her. Einheiten der badischen Linieninfanterie, Freischaren aus der Schweiz und Besancon, aber auch die Hanauer Turner klammerten sich an die Dörfer. Teile von Bischweier wechselten mehrfach den Besitzer. Die dort kämpfenden Arbeiterbataillone, darunter das Willichsche Freikorps, zahlten einen hohen Blutzoll. Unter den Kombattanten dieses Korps befanden sich prominente Köpfe, wie der Publizist und Sozialrevolutionär Friedrich Engels sowie der Dichter Gottfried Kinkel. Letzterer erlitt Verwundungen und wurde gefangen genommen. Ein weiterer Vorkämpfer der Arbeiterbewegung und enger Freund von Karl Marx und Friedrich Engels, Joseph Moll, wurde bei den Kämpfen getötet.[23] Erst am Abend, nach fast 14 Stunden Kampf, war Bischweier fest in preußischer Hand.[24]

Bei Muggensturm traf ein Artilleriegeschoss der Revolutionstruppen einen Bildstock und verfehlte nur knapp den sich in unmittelbarer Nähe befindlichen preußischen Kronprinzen. Die Kriegspropaganda deutete dieses Ereignis als Zeichen der Vorsehung. Prinz Wilhelm ließ den schicksalhaften Bildstock später abmontieren, um ihn in der Nähe seines Potsdamer Schlosses aufzustellen.[25][26]

Gefecht um Gernsbach

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Peuckers Neckarkorps griff am Nachmittag von Württemberg aus Gernsbach an. Die Angreifer zählten etwa 12.000 Mann Infanterie mit 16 Geschützen und 600 Reitern, während die Stadt vermutlich von nicht mehr als 2.000 Freischärlern und Volkswehrmännern mit höchstens sechs Geschützen verteidigt wurde.[27] Auf dem rechten Murgufer wurde eine ganze Straßenzeile in Brand geschossen. Die Bundestruppen überquerten an zwei Stellen die Murg und drangen von Norden und Süden in die Stadt ein. Nach in einem heftigen, vierstündigen Kampf war auch Gernsbach am Abend von Interventionstruppen eingenommen.

Zusammenbruch des rechten Flügels der Murglinie

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Inzwischen stießen hessische Bundestruppen, die Gernsbach links liegen gelassen hatten, murgabwärts bis Hörden und Ottenau vor. Ihr Erscheinen löste bei den Revolutionstruppen im Raum Rotenfels Panik aus. Aus Furcht, von den gegnerischen Truppen umgangen und eingeschlossen zu werden, verließen kurz nacheinander ganze Einheiten der Revolutionsarmee zwischen Oberndorf und Ottenau ihre Stellungen und setzten sich fluchtartig nach Baden-Oos ab.[23][28]

Damit war am späten Abend des 29. Juni die von Oborski und Mersy geführte gesamte rechte Flanke der Murglinie kampflos zusammengebrochen. Die beiden konsternierten Divisionskommandeure versuchten vergeblich, den ungeordneten Rückzug ihrer demoralisierten und kriegsmüden Truppen aufzuhalten. Oborski setzte sich noch in der Nacht ohne weitere Erklärung nach Straßburg ab und war für seinen Generalstab nicht mehr auffindbar.[29] Mersy verlangte seine Entlassung, da er "solche Leute nicht mehr führen wolle" und zog sich nach Offenburg zurück.[30] Mieroslawski reagierte auf die neue Lage, formierte um Mitternacht die Verteidigungslinie neu und konzentrierte alle verfügbaren Verbände im Raum Kuppenheim-Oos.[31]

 
Versprengte badische Soldaten auf dem Rückzug südwestlich von Rastatt.

Gefechtslage am 30. Juni

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Murgüberquerung durch das 1. preußische Korps

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Für den 30. Juni ordnete der Prinz von Preußen einen Großangriff zwischen Bischweier und Rotenfels an. Das 1. Korps sollte sich dort den Übergang über die Murg erkämpfen. Gleichzeitig wurden Ablenkungsangriffe bei Steinmauern und an der Niederbühler Eisenbahnbrücke geführt. Zu ihrer großen Verwunderung fanden die preußischen Angriffsspitzen bei Rotenfels verlassene Stellungen vor. In anderen Angriffsabschnitten wurde ihnen nur noch schwache Gegenwehr geleistet, die schnell gebrochen werden konnte. Um 11 Uhr vormittags konnten große preußische Truppenkontingente auf einer Brücke zwischen Rotenfels und Oberndorf die Murg überqueren, ohne dass sie dabei auf Widerstand trafen. Nach kurzem Schusswechsel wurde Oberndorf besetzt, während sich die letzten dort noch verbliebenen Freiheitskämpfer nach Kuppenheim zurückzogen.[32][33]

Gefecht bei Kuppenheim und Zusammenbruch der Abwehrfront

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Das letzte große und bedeutsame Gefecht an der Murglinie fand am späten Vormittag des 30. Juni bei Kuppenheim statt. Unter dem Kommando von Becker leisteten die Linientruppen, Volkswehren sowie die Mannheimer und Karlsruher Arbeiterbataillone in der Ortschaft der preußischen Übermacht erbitterten Widerstand. Beckers Abteilungen verfügten am Kuppenheimer Brückenkopf und am Murgdamm über 16 Geschütze. Es kam zu heftigen Artilleriegefechten. Die Stellung bei Kuppenheim zu halten, war besonders wichtig geworden, denn es galt, dem Rückzug der letzten revolutionären Truppenteile aus ihren Stellungen an der Murg Deckung zu geben.[34] Nachdem Kuppenheim von Oberndorf her seitlich umgangen und von der südlichen Rückseite angegriffen wurde, musste schließlich auch Becker um die späte Mittagszeit seine Stellungen aufgeben und zog seine Verbände westwärts zurück.[35] Durch die jetzt aufgerissene Frontlinie konnten die Interventionstruppen tief in den Raum hinter der Murglinie, über Sandweier und südlich der Festung Rastatt nach Westen, Richtung Iffezheim, vorstoßen.[36]

 
Ein Vierspänner mit aufgeprotztem Geschütz wird von preußischen Ulanen angegriffen.
 
Preußische Husaren kämpfen versprengte Freiheitskämpfer nieder.
 
Ein ungleicher Kampf: Der Freischärler versucht, einem Ulan die Lanze zu entreißen.
 
Zwei gefangene Freiheitskämpfer werden einem preußischen Offizier zum Verhör vorgeführt.
 
Denkmal am Federbach vor Rastatt für die dort beim Gefecht am 29. Juni 1849 gefallenen preußischen Soldaten.

Gefecht in Oos

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Im Verlauf des Vormittags rückten die Truppen des Neckarkorps von Gernsbach über Baden-Baden nach Oos vor. Bei Baden-Scheuern hatten sich mecklenburger Soldaten die für die Freiheitskämpfer typischen Blusen übergezogen und lockten damit den Kommandeur der Schwäbischen Legion und zwölf seiner Kämpfer in einen tödlichen Hinterhalt.[37] In Oos lieferten sich Peuckers Truppen mit der Schwäbischen Legion, dem Karlsruher Arbeiterbataillon und anderen Freischaren Häuserkämpfe. Am Nachmittag zogen sich die Freischaren aus Oos gemeinsam mit Beckers Abteilungen nach Offenburg zurück. Bei einem kleinen Rückzugsgefecht gelang es ihnen zuletzt noch, eine mecklenburgische Haubitze zu erobern.[36]

Massaker bei Iffezheim und Zernierung der Festung Rastatt

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Gegen Abend war die Murglinie verloren. Die Verbände der Revolutionsarmee lösten sich auf und die Freiheitskämpfer flohen vor der überwältigenden Übermacht der Angreifer. Einzelne Truppenführer versuchten vergeblich, durch hartes Durchgreifen das zunehmende Chaos wieder in den Griff zu bekommen. So wurden am Bahnhof von Oos zwei junge Bauernburschen, die ihr Volkswehrbataillon verlassen hatten und sich auf den Heimweg machen wollten, standrechtlich erschossen.[35] Einige versprengte revolutionäre Truppenteile konnten sich über den Rhein in das Elsass retten. Andere, denen der Weg nach Süden bereits abgeschnitten war, suchten Zuflucht in der Festung Rastatt.

Preußische Ulanen, Kürassiere und Husaren verfolgten auf ihren Pferden südlich und südwestlich von Rastatt versprengte Volkswehrabteilungen und fliehende Freischärler, die verzweifelt versuchten, sich in die schützenden Wälder der Rheinebene zu retten. Es kam zu dramatischen Szenen. Der preußische Offizier Daniel Staroste beschreibt die gnadenlose Jagd auf flüchtende Freiheitskämpfer: von Ulanen, die auf freiem Feld niederstachen, "was nicht schnell genug fliehen konnte" und von der Infanterie, die in den Wäldern niederschoss, "was erreichbar war". Es sei nur wenigen gelungen, sich in den Wald bei Hügelsheim zu retten, wo ihnen die Preußen nicht mehr nachfolgten, da die Nacht eingebrochen war.[38] Andernorts wird berichtet, wie bei Iffezheim eine ganze Abteilung der Volkswehr, die sich auf der Flucht bereits ihrer Waffen entledigt hatte, von preußischen Soldaten gestellt und auf der Stelle hingemetzelt wurde.[39]

Am Abend des 30. Juni war die Festung Rastatt von den preußischen Truppen eingekesselt. Hinter den Festungswällen waren 6.000 Freiheitskämpfer eingeschlossen, der Zahl nach fast die Hälfte der Revolutionsarmee. Darunter befanden sich ein komplettes badisches Linieninfanterieregiment, drei Volkswehrbataillone und die Deutsche Flüchtlingslegion.[40]

Siehe auch: Festung Rastatt

Truppenbewegungen nach den Gefechten an der Murglinie

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Die versprengten Reste der Revolutionstruppen erreichten am 1. Juli Offenburg und setzten in den folgenden Tagen ihren ungeordneten Rückzug in die südlichen Landesteile fort. Ihnen folgte das in planmäßigen Tagesetappen marschierende 1. preußische Armeekorps, ohne dass es noch einmal zu nennenswerten Kampfhandlungen gekommen wäre. Die Truppen des Neckarkorps drangen über das Murgtal entlang des badisch-württembergischen Grenzgebiets in südlichere Schwarzwaldregionen vor. Zwischen diesen beiden Zangenspitzen operierten die noch weitgehend intakten Abteilungen von Philipp Becker und das Freikorps von August Willich, die auf Anweisung von Franz Sigel den revolutionären Kampf im Südschwarzwald fortsetzen sollten.[41]

Folgen des Zusammenbruchs der Murglinie

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Mieroslawski sah mit den sich auflösenden Resten der Revolutionsarmee keine Möglichkeit mehr, den Kampf gegen die Interventionstruppen fortzusetzen[42] und legte am 1. Juli sein Amt als militärischer Oberbefehlshaber nieder.[43] Sein Nachfolger, Franz Sigel, unternahm einen letzten Versuch, eine neue Verteidigungslinie an der Engstelle zwischen Burg Lichteneck und Riegel, wo Kaiserstuhl und Schwarzwald sich auf zwei Kilometer nähern, aufzubauen. Doch es standen Sigel zu diesem Zeitpunkt praktisch keine intakten Truppen im Rheintal mehr zur Verfügung.[44] Dem Freikorps von Willich und den Truppen von Becker, die sich in den ersten Julitagen bei Furtwangen und Triberg einfanden, um an den Schwarzwaldpässen zur Baar einen "revolutionären Volkskrieg aus den Gebirgstälern heraus"[45] zu führen, gelang es angesichts der überwältigenden Übermacht ihrer Gegner nicht mehr, geordneten Widerstand zu leisten.[46] Die Bundestruppen konnten somit weitgehend ungehindert in die südlichen Landesteile vorstoßen und das restliche Gebiet des Großherzogtums kriegsmäßig besetzen. Die Reste des geschlagenen Revolutionsheeres zogen weiter nach Süden, wo sie schließlich um den 11. Juli die Schweizer Grenze überschritten und ihre Waffen ablegten. Auch die Mitglieder der provisorischen badischen Revolutionsregierung suchten Exil in der Schweiz. Die Festung Rastatt wurde belagert und am 23. Juli "auf Gnade und Ungnade" General von der Groeben übergeben. Die Revolution war besiegt.[47]

Verluste an der Murglinie

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Die Verlustlisten der beiden preußischen Korps wurden, aufgeschlüsselt nach Gefechtsort und Datum, veröffentlicht. Demnach betrugen die preußischen Gesamtverluste an der Murglinie vom 28. Juni bis einschließlich 1. Juli 1849 insgesamt 295 verwundete und tote Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften. Die größten Verluste erlitten die preußischen Verbände am 29. Juni. Im verlustreichsten Kampf dieses Tages, dem Gefecht am Federbach, wurden 63 getötete und verwundete Soldaten gezählt. Für die Kämpfe bei Bischweier und Winkel wurden die Gesamtverluste mit 46 Mann beziffert.[48]

Nach der Einnahme von Gernsbach zählte das Neckarkorps sechs gefallene Soldaten. 16 Freischärler und sechs Gernsbacher Bürger verloren im Kampf um die Stadt ihr Leben.[49]

Den chaotischen Umständen entsprechend, wurde über die Gesamtzahl der Toten und Verwundeten der Revolutionsarmee keine offizielle Statistik geführt. Vermutlich betrugen sie ein Vielfaches der preußischen Verluste.

Literatur

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Zeitgenössische Schilderungen:

Neuere Geschichtsschreibung:

  • Frank Engehausen: Kleine Geschichte der Revolution in Baden 1848/49. Karlsruhe, 2010. ISBN 978-3-7650-8596-3
  • Kurt Hochstuhl: Der Kampf um die Freiheit. Das revolutionäre Militär in der Mairevolution 1849. In: Badisches Landesmuseum (Hrsg.): 1848/49 Revolution der deutschen Demokraten in Baden. Baden-Baden 1998. ISBN 3-7890-5201-9
  • Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 93–98
  • Cornelia Renger-Zorn: Revolution in Baden. Gernsbach 1848/49. Rastatt, 2024. ISBN 978-3-9825957-6-4
  • Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart, 1983. ISBN 3-8062-0295-8
  • Franz Xaver Vollmer: Vormärz und Revolution 1848/49 in Baden. Frankfurt am Main, 1979, ISBN 3-425-07221-8
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Commons: Gefechte an der Murglinie – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Frank Engehausen: Kleine Geschichte der Revolution in Baden 1848/49. Karlsruhe 2010, S. 176.
  2. Kurt Hochstuhl: Der Kampf um die Freiheit. Das revolutionäre Militär in der Mairevolution 1849. In: Badisches Landesmuseum (Hrsg.): 1848/49 Revolution der deutschen Demokraten in Baden. Baden-Baden 1998, S. 371 ff.
  3. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 93.
  4. Kurt Hochstuhl: Der Kampf um die Freiheit. Das revolutionäre Militär in der Mairevolution 1849. In: Badisches Landesmuseum (Hrsg.): 1848/49 Revolution der deutschen Demokraten in Baden. Baden-Baden, S. 372.
  5. a b Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 384.
  6. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 385.
  7. Ludwig Mieroslawski: Berichte des Generals (Ludwig) Mieroslawski über den Feldzug in Baden. Bern 1849, S. 27 ff.
  8. Ludwig Mieroslawski: Berichte des Generals (Ludwig) Mieroslawski über den Feldzug in Baden. Bern 1849, S. 28.
  9. Ludwig Mieroslawski: Berichte des Generals (Ludwig) Mieroslawski über den Feldzug in Baden. Bern 1849, S. 27 f.
  10. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 384 f. und 387.
  11. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 382.
  12. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 93.
  13. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 387.
  14. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849. Potsdam 1853, S. 15 ff.
  15. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849. Potsdam 1853, S. 12.
  16. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849. Potsdam 1853, S. 18.
  17. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849, S. 392 f.
  18. a b c Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 94.
  19. Ludwig Mieroslawski: Berichte des Generals (Ludwig) Mieroslawski über den Feldzug in Baden. Bern 1849, S. 30.
  20. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 399.
  21. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 95.
  22. Carl Alois Fickler: In Rastatt 1849. Rastatt 1853, S. 154.
  23. a b Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 96.
  24. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 399.
  25. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 94 f.
  26. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 401.
  27. Cornelia Renger-Zorn: Revolution in Baden. Gernsbach 1848/49. Rastatt 2024, S. 121.
  28. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 403 f.
  29. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Band 2. Genf 1849, S. 408 und 411.
  30. Ludwig Häuser: Denkwürdigkeiten zur Geschichte der badischen Revolution. Heidelberg 1851, S. 627.
  31. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 405.
  32. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 404 f.
  33. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849. Band 2. Potsdam 1853, S. 77.
  34. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 96 f.
  35. a b Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 406.
  36. a b Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 406.
  37. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Teil 2. Genf 1849, S. 416.
  38. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und Baden im Jahre 1849. Potsdam 1853, S. 87.
  39. Gunter Kaufmann: Der Endkampf an der Murg. In: Landkreis Rastatt (Hrsg.): Heimatbuch des Landkreises Rastatt. Ausgabe 1. Rastatt 1974, S. 97.
  40. Johann Philipp Becker, Christian Esselen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Teil 2. Genf 1849, S. 418.
  41. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 413.
  42. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 412.
  43. Ludwig Mieroslawski: Berichte des Generals (Ludwig) Mieroslawski über den Feldzug in Baden. Bern 1849, S. 37.
  44. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 412 f.
  45. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 411.
  46. Franz Xaver Vollmer: Der Traum von der Freiheit. Stuttgart 1983, S. 413 ff.
  47. Kurt Hochstuhl: Der Kampf um die Freiheit. Das revolutionäre Militär in der Mairevolution 1849. In: Badisches Landesmuseum (Hrsg.): 1848/49 Revolution der deutschen Demokraten in Baden. Baden-Baden 1998, S. 373.
  48. Daniel Staroste: Tagebuch über die Ereignisse in der Pfalz und in Baden im Jahre 1849. Band 2. Potsdam 1853, S. 286 f.
  49. Cornelia Renger-Zorn: Revolution in Baden. Gernsbach 1848/49. Rastatt 2024, S. 128.