Hermogenians Iuris epitomae (altgriechisch ἐπιτομή, epitomé ‚Abriss‘, ‚Auszug‘, ‚Ausschnitt‘, Hermogenian Iuris epitomarum libri VIlat.: Auszüge aus dem Recht; kurz: IE) ist ein um die Wende vom 3. auf das 4. Jahrhundert in Mailand entstandener sechsbändiger Kodex des für den Kaiser Diokletian als magister libellorum tätigen epiklassischen Juristen[1] Hermogenian.[2][3]

Überwiegend wird vermutet, dass die iuris epitomae um 300 entstanden sind,[4] etwa zeitgleich oder kurz nach dem Codex Hermogenianus, der aus der Zeit 293/94 stammt.[5] In Auszügen wurde das nahezu gesamte geltende Recht zusammengestellt. Im Wesentlichen handelte es sich um Textsequenzen aus den Hauptwerken der klassischen Juristen. Die Textkompilation wurde in Sachtitel aufgeteilt und gliederte sich über sechs Bücher.[6] In methodischer Hinsicht verfolgt das Werk einen Aufbau nach Fallbesprechungen und entspricht damit den Anforderungen einer Codexordnung im Digestensystem.[7] Zitate sind in den Abrissen nicht enthalten, da Hermogenian darauf bewusst verzichtet hatte.[2]

Das Werk befasst sich einerseits mit Ausschnitten aus Marcians Elementarliteratur, den sogenannten Institutionen. Möglicherweise sind auch Teile aus Modestins Regelwerk regulae, jedenfalls aus Paulusmanualia enthalten. Daneben stehen von Hermogenian zusammengetragene Gerichtsentscheidungen (sententiae), auch band Hermogenian Kommentarliteratur in die Sammlung ein. Darin äußern sich die severischen Spätklassiker, nämlich nochmals Paulus zu seinem frühklassischen Kollegen Plautius und Ulpian zu Sabinius (aus libri ad Sabinum), der ein bedeutender Lehrer der sabinianischen Rechtsschule war. Die Bezugnahmen letztgenannter Juristen auf geltende Edikte sind in der Epitome ebenfalls enthalten. De officio proconsulis von Ulpian und De iudiciis publicis sowie De delatoribus von Marcian repräsentieren das von den späten römischen Juristen gern gewählte Metier der Monographie. Umfangreich diskutierte Fälle, sogenannte disputationes und quaestiones, finden sich angeschlossen an die Fallliteratur. Der Hochklassiker Julian ist mit den gutachterlichen digesta vertreten, der Spätklassiker Papinian mit seinen responsa und quaestiones, wobei letztgenannter Titel auch durch Paulus vertreten ist.[8]

An passenden Stellen macht der Verfasser eigene Kurzausführungen. So erörtert er zu Problemen aus den Fachbereichen des Fideikommisses und des schadensrechtlichen iniuria-Begriffs. Außerdem lässt er sich inhaltlich auf den Codex Gregorianus und jüngste (vor-)diokletianische Kaiserkonstitutionen ein.[9]

Literatur

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  • Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte, 14. Auflage. UTB, Köln/Wien 2005, § 12 (Das Recht der römischen Spätzeit, Kapitel 4, Die Renaissance des klassischen Rechts), S. 191, 203.
  • Detlef Liebs: Hermogenians iuris epitomae. Zum Stand der römischen Jurisprudenz im Zeitalter Diokletians (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Nummer 57). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964 (Dissertation, Universität Göttingen 1962).

Anmerkungen

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  1. Der Begriff „Epiklassik“ steht im Bereich des Rechtswesens für die erste Periode der Spätantike vom Beginn der Reichskrise des 3. Jahrhunderts bis zur Konstantinischen Wende (vgl. Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.), Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen, Neue Folge, Band 8, Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 283–287 (Zusammenfassung) – angelehnt an Franz Wieacker.
  2. a b Detlef Liebs: Die Jurisprudenz im spätantiken Italien (260–640 n.Chr.) (= Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen. Neue Folge, Band 8). Duncker & Humblot, Berlin 1987, S. 143–144.
  3. Es bestehen in der Literatur Restzweifel, ob Personenidentität zwischen dem Ersteller des Codex Hermogenianus und den iuris epitomae besteht; siehe: Herbert Hausmaninger, Walter Selb: Römisches Privatrecht (Böhlau-Studien-Bücher). Böhlau, Wien 1981 (9. Auflage 2001), ISBN 3-205-07171-9, S. 49; Detlef Liebs und im Anschluss, Wolfgang Kunkel, Martin Schermaier weisen darauf hin, dass es sich um einen gleichnamigen Prätorianerpräfekten handeln könnte, der im Zusammenhang mit der Märtyrerakte des Sabinus von Assisi genannt wird; insoweit: Wolfgang Kunkel/Martin Schermaier: Römische Rechtsgeschichte, 14. Auflage. UTB, Köln/Wien 2005, § 12 (Das Recht der römischen Spätzeit, Kapitel 4: Die Renaissance des klassischen Rechts, S. 191, 203.
  4. Zu den Spätklassikern zählen Hermogenian noch: Theodor Kipp: Geschichte der Quellen des römischen Rechts, 4. Auflage Leipzig und Erlangen 1919, S. 141; Wilhelm Kalb: Roms Juristen nach ihrer Sprache dargestellt, Leipzig 1890, S. 144, ebenso Fritz Schulz; zu den Epiklassikern (mehrheitlich): bereits Iacobus Gothofredus, Codex Theodosianus (Lyon 1665); Theodor Mommsen, Franz Wieacker („Textstufen klassischer Juristen“); Max Kaser: Römisches Recht als Gemeinschaftsordnung. (= Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart. Band 126). Tübingen 1939.
    Zusammengestellt in: Detlef Liebs: Hermogenians iuris epitomae. Zum Stand der römischen Jurisprudenz im Zeitalter Diokletians (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Nummer 57). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964 (Dissertation, Universität Göttingen 1962), S. 11 (Einleitung).
  5. Consultatio 9,2; 5; 9,14 und 6.
  6. Digesten 1,5,2.
  7. Detlef Liebs: Hermogenians iuris epitomae. S. 26–28 und 115–130.
  8. Detlef Liebs: Hermogenians iuris epitomae. Zum Stand der römischen Jurisprudenz im Zeitalter Diokletians (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Nummer 57). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964 (Dissertation, Universität Göttingen 1962), S. 43 ff. (Elementarliteratur); S. 51 ff. (Kommentare); S. 71 ff. (Einzeldarstellungen); S. 76 ff. (Fallliteratur).
  9. Detlef Liebs: Hermogenians iuris epitomae. Zum Stand der römischen Jurisprudenz im Zeitalter Diokletians (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-Historische Klasse. Dritte Folge, Nummer 57). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964 (Dissertation, Universität Göttingen 1962), S. 92 ff. (neueres Kaiserrecht); S. 101 ff. (eigenständige Erwägungen Hermogenians).