Negative Binomialverteilung

(Weitergeleitet von Pascal-Verteilung)

Die negative Binomialverteilung (auch Pascal-Verteilung) ist eine univariate Wahrscheinlichkeitsverteilung. Sie zählt zu den diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen und ist eine der drei Panjer-Verteilungen.

Negative Binomialverteilung
Wahrscheinlichkeitsfunktion

Wahrscheinlichkeitsverteilung der Variante B. In diesem Beispiel ist Parameter von abhängig, sodass gilt (das erfordert ). Der Erwartungswert ist als orange Linie dargestellt; die Standardabweichung als grüne.
Verteilungsfunktion
Parameter r > 0 – Anzahl Erfolge bis zum Abbruch
p ∈ (0,1) – Einzel-Erfolgs-Wahrscheinlichkeit
Träger k ∈ { 0, 1, 2, 3, … } – Anzahl Misserfolge
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Verteilungsfunktion Eulersche Betafunktion
Erwartungswert
Modus
Varianz
Schiefe
Wölbung
Momenterzeugende Funktion
Charakteristische Funktion
Fisher-Information

Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Bernoulli-Prozess nach k Misserfolgen genau r Erfolge eingetreten sind.

Neben der Poisson-Verteilung ist die negative Binomialverteilung die wichtigste Schadenzahlverteilung in der Versicherungsmathematik. Dort wird sie insbesondere als Schadenzahlverteilung in der Krankenversicherung benutzt, seltener im Bereich Kraftfahrzeug-Haftpflicht oder Kasko.

Herleitung der negativen Binomialverteilung

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Wahrscheinlichkeitsfunktion der negativen Binomialverteilung (Variante A) für  ;   (blau),   (grün) und   (rot)

Man kann diese Verteilung mit Hilfe des Urnenmodells mit Zurücklegen beschreiben: In einer Urne befinden sich zwei Sorten Kugeln (dichotome Grundgesamtheit). Der Anteil der Kugeln erster Sorte beträgt  . Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kugel erster Sorte gezogen wird, beträgt also  .

Es wird nun so lange eine Kugel gezogen und wieder zurückgelegt, bis erstmals genau   Kugeln erster Sorte resultieren. Man kann eine Zufallsvariable  : „Zahl der Versuche, bis erstmals   Erfolge resultieren“ definieren. Die Zahl der Versuche liegt in der Menge  .   hat abzählbar unendlich viele mögliche Ausprägungen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass   Versuche nötig waren, um   Erfolge zu erzielen, also  , berechnet man nach folgender Überlegung:

Es sollen zum jetzigen Zeitpunkt bereits   Versuche stattgefunden haben. Es wurden insgesamt   Kugeln erster Sorte gezogen. Die Wahrscheinlichkeit dafür wird durch die Binomialverteilung der Zufallsvariablen  : „Zahl der Kugeln erster Sorte bei   Versuchen“ angegeben:

 

Die Wahrscheinlichkeit, dass nun eine weitere Kugel erster Sorte gezogen wird, ist dann

 

Eine Zufallsvariable   heißt damit negativ binomialverteilt   mit den Parametern   (Anzahl der erfolgreichen Versuche) und   (Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Erfolges im Einzelversuch), wenn sich für sie die Wahrscheinlichkeitsfunktion

 

angeben lässt.

Diese Variante wird hier Variante A genannt, um Verwechslungen vorzubeugen.

Alternative Definition

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Eine diskrete Zufallsgröße   unterliegt der negativen Binomialverteilung   mit den Parametern   und  , wenn sie die Wahrscheinlichkeiten

 

für   besitzt.

Beide Definitionen stehen über   in Beziehung; während die erste Definition also nach der Anzahl der Versuche   (erfolgreiche und erfolglose) bis zum Eintreten des  -ten Erfolgs fragt, interessiert sich die alternative Darstellung für die Anzahl   der Misserfolge bis zum Eintreten des  -ten Erfolgs. Dabei werden die   Erfolge nicht mitgezählt. Die Zufallsvariable   bezeichnet dann nur die Anzahl der misslungenen Versuche.

Diese Variante wird hier Variante B genannt.

Eigenschaften der negativen Binomialverteilung

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Erwartungswert

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Variante A

Der Erwartungswert bestimmt sich zu

 .
Variante B

Bei der alternativen Definition ist der Erwartungswert um   kleiner, also

 .

Die Varianz der negativen Binomialverteilung ist für beide Definitionen gegeben durch

 .

Die Varianz ist bei der alternativen Definition immer größer als der Erwartungswert (Überdispersion).

Variationskoeffizient

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Variante A

Aus Erwartungswert und Varianz ergibt sich sofort der Variationskoeffizient zu

 
Variante B

In der alternativen Darstellung ergibt sich

 .

Die Schiefe ergibt sich für beide Varianten zu:

 .

Wölbung

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Der Exzess ist für beide Varianten

 .

Damit ist dann die Wölbung

 .

Charakteristische Funktion

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Variante A

Die charakteristische Funktion hat die Form

 .
Variante B

Alternativ ergibt sich

 .

Wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion

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Variante A

Für die wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion erhält man

  mit  .
Variante B

Analog ist dann

 .

Momenterzeugende Funktion

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Variante A

Die momenterzeugende Funktion der negativen Binomialverteilung ist

  mit  .
Variante B

Dann ist die Alternativdarstellung

 

Summen von negativ binomialverteilten Zufallsvariablen

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Sind   zwei unabhängige negativ binomialverteilte Zufallsvariablen zu den Parametern   und  . Dann ist   wieder negativ binomialverteilt zum Parameter   und  . Die negative Binomialverteilung ist also reproduktiv, für die Faltung gilt  ,

sie bildet eine Faltungshalbgruppe.

Verallgemeinerung auf reelle Parameter

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Die obige Herleitung und Interpretation der negativen Binomialverteilung über das Urnenmodell ist nur für   möglich. Es existiert jedoch auch eine Verallgemeinerung der negativen Binomialverteilung für  . Dazu wird eine Poisson-Verteilung   betrachtet, deren Intensität   zufällig gemäß einer Gamma-Verteilung mit den Parametern   und   verteilt ist. Wird nun die Mischverteilung dieser beiden Verteilungen gebildet, ergibt sich die sogenannte Poisson-Gamma-Verteilung. Für die Wahrscheinlichkeitsfunktion dieser Verteilung gilt dann

 

Für   ergibt sich gerade die Wahrscheinlichkeitsfunktion der negativen Binomialverteilung. Somit lässt sich die negative Binomialverteilung auch für   sinnvoll interpretieren. Die Wahrscheinlichkeit,   Erfolge zu erreichen, ist dann gleich der Wahrscheinlichkeit, bei einer Binomialverteilung mit zufälligem, gammaverteilten Parameter   Erfolge zu erreichen. Die Gamma-Funktionen in der Wahrscheinlichkeitsfunktion können auch durch verallgemeinerte Binomialkoeffizienten ersetzt werden.

Diese Konstruktion entspricht der oben definierten Variante B. Alle Charakteristika, wie Erwartungswert, Varianz und so weiter, bleiben unverändert gültig. Zudem ist die Variante für reelles   unendlich teilbar.

Beziehungen zu anderen Verteilungen

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Beziehung zur Binomialverteilung

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In der Tabelle wird die Beziehung zur Binomialverteilung veranschaulicht:

Deterministisch Zufällig Fragestellung
Binomialverteilung   Versuche   Erfolge Wie viele Erfolge   haben wir in   Versuchen?
Negative Binomialverteilung   Erfolge   Versuche Wie viele Versuche   sind erforderlich, um   Erfolge zu haben?

Beziehung zur geometrischen Verteilung

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Die negative Binomialverteilung geht für   in die geometrische Verteilung über. Andererseits ist Summe   voneinander unabhängiger geometrisch verteilter Zufallsgrößen   mit demselben Parameter   negativ-binomialverteilt   mit den Parametern   und  . Allerdings ist auch hier zu beachten, welche Parametrisierungsvariante gewählt wurde. Als Summe unabhängiger, identisch verteilter Zufallsvariablen ist   für große   annähernd normalverteilt.

Beziehung zur zusammengesetzten Poisson-Verteilung

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Die negative Binomialverteilung entsteht aus der zusammengesetzten Poisson-Verteilung, wenn man diese mit der logarithmischen Verteilung kombiniert. Die Parameter gehen in die Variante B über mit   und  .

Beispiel

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Wahrscheinlichkeitsfunktion der negativen Binomialverteilung
 
Verteilungsfunktion der negativen Binomialverteilung

Die Studentin Paula spielt heute Abend Skat. Aus langer Erfahrung weiß sie, dass sie bei jedem 5. Spiel gewinnt. Gewinnen ist folgendermaßen definiert: Sie muss zunächst ein Spiel durch Reizen bekommen, dann muss sie dieses Spiel gewinnen.

Da sie morgen um acht Uhr Statistik-Vorlesung hat, soll der Abend nicht zu lang werden. Deshalb hat sie beschlossen, nach dem 10. gewonnenen Spiel nach Hause zu gehen. Nehmen wir an, dass ein Spiel etwa 4 Minuten dauert (großzügig gerechnet). Mit welcher Wahrscheinlichkeit kann sie nach zwei Stunden nach Hause gehen, also nach 30 Spielen?

Wir gehen mit unseren Überlegungen analog zu oben vor:

Mit welcher Wahrscheinlichkeit hat sie in 29 Spielen 9-mal gewonnen? Wir berechnen diese Wahrscheinlichkeit mit der Binomialverteilung, in Begriffen des Urnenmodells bei 29 Versuchen und 9 Kugeln erster Sorte:

 

Die Wahrscheinlichkeit, den 10. Gewinn beim 30. Spiel zu machen, ist nun

 

Diese Wahrscheinlichkeit scheint nun sehr klein zu sein. Die Grafik der negativ binomialverteilten Zufallsvariablen   zeigt, dass insgesamt die Wahrscheinlichkeiten sehr klein bleiben. Wie soll da die arme Paula jemals ins Bett kommen? Wir können sie beruhigen: Es genügt ja, danach zu fragen, wie viele Versuche Paula höchstens braucht, es müssen ja nicht genau 30 sein.

Die Wahrscheinlichkeit, dass höchstens 30 Versuche nötig sind, ist die Verteilungsfunktion   der negativen Binomialverteilung an der Stelle  , was hier die Summe der Wahrscheinlichkeiten   ergibt. Ein Blick auf die Grafik der Verteilungsfunktion zeigt: Wenn Paula mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit zufrieden ist, müsste sie höchstens ca. 50 Spiele absolvieren, das wären 50·4 min = 200 min = 3h 20 min. Um mit einer 80%igen Wahrscheinlichkeit ihre 10 Gewinne zu bekommen, müsste sie höchstens ca. 70 Spiele spielen, also knapp 5 Stunden. Vielleicht sollte Paula doch ihre Strategie der Spielezahl ändern.

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Literatur

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