Schweizer Parlamentswahlen 1914
Die Schweizer Parlamentswahlen 1914 fanden am 25. Oktober 1914 statt. Zur Wahl standen 189 Sitze des Nationalrates. Die Wahlen wurden nach dem Majorzwahlrecht vorgenommen, wobei das Land in 49 unterschiedlich grosse Nationalratswahlkreise unterteilt war. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs verzichteten die Parteien weitgehend auf einen Wahlkampf und es kam nur zu wenigen Verschiebungen. Das neu gewählte Parlament trat in der 23. Legislaturperiode erstmals am 7. Dezember 1914 zusammen.
Wahlkampf
BearbeitenDer Ausbruch des Ersten Weltkriegs am 28. Juli 1914 und auftretende Probleme bei der Mobilmachung führten zu Überlegungen, die Wahlen zu verschieben. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken sah der Bundesrat aber davon ab. Daraufhin versuchten die Parteien, die Wahlen möglichst ohne vorherige Kampagnen durchzuführen. Nur die Liberale Partei der Schweiz, die 1913 aus der Fraktion der liberalen Mitte hervorgegangen war, hielt sich nicht an diese Abmachung eines «Burgfriedens», da ihr im Kanton Genf keine Konzessionen gemacht worden waren. Eine Konkurrenzsituation gab es sonst nur in den Kantonen Uri und Thurgau, wo jeweils eine Bankenpleite für politische Aufregung sorgte, sowie in den Kantonen Basel-Landschaft und Waadt. Drei Jahre früher als in der übrigen Schweiz begann im Thurgau der Freisinn in rivalisierende Gruppen auseinanderzubrechen (Landwirtschaft, Gewerbe, Jungfreisinnige, bisheriger «Alt-Freisinn»).[1]
Während der 22. Legislaturperiode hatte es aufgrund von Vakanzen 24 Ersatzwahlen in 13 Wahlkreisen gegeben, bei denen die Sozialdemokraten um fünf Sitze zulegen konnten (vor allem auf Kosten der Freisinnigen). 1914 gab es insgesamt 55 Wahlgänge (einen mehr als drei Jahre zuvor). In 43 von 49 Wahlkreisen waren die Wahlen bereits nach dem ersten Wahlgang entschieden. Nur in vier Wahlkreisen traten mehr Kandidaten an, als Sitze zu vergeben waren, was den fast komplett fehlenden Wahlkampf zusätzlich unterstreicht. Mit dem letzten Wahlgang am 8. November 1914 war der Nationalrat komplett. Die Wahlbeteiligung sank gegenüber 1911 um 6,3 Prozentpunkte. Den höchsten Wert wies der Kanton Aargau auf, wo 85,9 % ihre Stimme abgaben. Über 80 % Beteiligung verzeichnete sonst nur der Kanton Uri. Am tiefsten war die Beteiligung im Kanton Zug, wo nur 21,2 % an den Wahlen teilnahmen. Die meisten Sitzverschiebungen waren bereits vor 1914 bei Ersatzwahlen erfolgt, am eigentlichen Wahltag ergaben sich nur geringe Änderungen. Dass die Sozialdemokraten trotz insgesamt drei Sitzgewinnen gegenüber 1911 fast zehn Prozent Wähleranteil einbüssten, ist einzig darauf zurückzuführen, dass sie auf alle aussichtslosen Kandidaturen verzichtete. Der Sitz der aufgelösten Aargauer Rheinkreispartei fiel an die FDP zurück. Die Demokratisch-volkswirtschaftliche Vereinigung, eine FDP-Abspaltung im Kanton Basel-Landschaft, konnte einen Sitz erringen, ebenso ein unabhängiger Bauernkandidat im Kanton Thurgau.
Ergebnis der Nationalratswahlen
BearbeitenGesamtergebnis
BearbeitenVon 851'377 volljährigen männlichen Wahlberechtigten nahmen 395'431 an den Wahlen teil, was einer Wahlbeteiligung von 46,4 % entspricht.[2]
Die 189 Sitze im Nationalrat verteilten sich wie folgt:[3][4]
* 1 Sitz für DVV, 1 Sitz für Unabhängigen |
|
Ergebnisse in den Kantonen
BearbeitenDie nachfolgende Tabelle zeigt die Verteilung der errungenen Sitze auf die Kantone.[5][6]
Kanton | Sitze total |
Wahl- kreise |
Betei- ligung |
FDP | KVP | SP | LPS | DL | DVV | unabh. | RP | ||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Aargau | 12 | 4 | 85,9 % | 9 | +1 | 3 | − | −1 | |||||||||||
Appenzell Ausserrhoden | 3 | 1 | 67,3 % | 2 | 1 | ||||||||||||||
Appenzell Innerrhoden | 1 | 1 | 71,2 % | 1 | |||||||||||||||
Basel-Landschaft | 4 | 1 | 47,0 % | 3 | − | −1 | 1 | +1 | |||||||||||
Basel-Stadt | 7 | 1 | 29,4 % | 2 | −1 | 3 | +1 | 2 | |||||||||||
Bern | 32 | 7 | 29,1 % | 24 | −1 | 2 | 4 | +1 | 2 | ||||||||||
Freiburg | 7 | 2 | 35,7 % | 2 | 5 | ||||||||||||||
Genf | 8 | 1 | 52,9 % | 3 | −2 | 1 | 1 | 3 | +2 | ||||||||||
Glarus | 2 | 1 | 57,0 % | 1 | +1 | 1 | −1 | ||||||||||||
Graubünden | 6 | 1 | 47,3 % | 4 | 1 | 1 | |||||||||||||
Luzern | 8 | 3 | 31,4 % | 3 | 5 | ||||||||||||||
Neuenburg | 7 | 1 | 52,3 % | 4 | −1 | 2 | +1 | 1 | |||||||||||
Nidwalden | 1 | 1 | 27,8 % | 1 | |||||||||||||||
Obwalden | 1 | 1 | 30,7 % | 1 | |||||||||||||||
Schaffhausen | 2 | 1 | 78,7 % | 2 | |||||||||||||||
Schwyz | 3 | 1 | 22,7 % | 1 | 2 | ||||||||||||||
Solothurn | 6 | 1 | 31,9 % | 4 | 1 | 1 | |||||||||||||
St. Gallen | 15 | 5 | 70,1 % | 7 | 6 | 2 | |||||||||||||
Tessin | 8 | 2 | 29,5 % | 5 | 2 | 1 | |||||||||||||
Thurgau | 7 | 1 | 78,8 % | 4 | −1 | 1 | 1 | 1 | +1 | ||||||||||
Uri | 1 | 1 | 82,4 % | 1 | +1 | − | −1 | ||||||||||||
Waadt | 16 | 3 | 37,2 % | 11 | −1 | 5 | +1 | ||||||||||||
Wallis | 6 | 2 | 44,9 % | 1 | 5 | ||||||||||||||
Zug | 1 | 1 | 21,2 % | 1 | |||||||||||||||
Zürich | 25 | 5 | 51,2 % | 18 | +1 | 6 | 1 | −1 | |||||||||||
Schweiz | 189 | 49 | 46,4 % | 112 | −3 | 37 | −1 | 18 | +3 | 16 | +2 | 4 | −2 | 1 | +1 | 1 | +1 | – | −1 |
Ständerat
BearbeitenDie Wahlberechtigten konnten die Mitglieder des Ständerates in 18 Kantonen selbst bestimmen: In den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Graubünden, Luzern, Schwyz, Solothurn, Tessin, Thurgau, Zug und Zürich an der Wahlurne, in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Glarus, Nidwalden, Obwalden und Uri an der Landsgemeinde. In allen anderen Kantonen erfolgte die Wahl indirekt durch die jeweiligen Kantonsparlamente. In vielen Kantonen fanden die Ständeratswahlen damals zudem nicht gleichzeitig mit den Nationalratswahlen statt.
Sitzverteilung
BearbeitenDie Sitzverteilung im Ständerat sah wie folgt aus:
Partei | Wahlen 1914 | Wahlen 1911 |
---|---|---|
FDP | 24 | 25 |
KVP | 16 | 16 |
LPS | 2 | 11 |
DP | 1 | 1 |
SP | 1 | 1 |
Gewählte Ständeräte
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, erster Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1442-9.
- Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 1, zweiter Teil. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1443-7.
- Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 2. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1444-5 (Anmerkungen).
- Erich Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919. Band 3. Francke Verlag, Bern 1978, ISBN 3-7720-1445-3 (Tabellen, Grafiken, Karten).
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 1, zweiter Teil, S. 784–785.
- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 369.
- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 1, zweiter Teil, S. 786.
- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 485.
- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 313–323
- ↑ Gruner: Die Wahlen in den Schweizerischen Nationalrat 1848–1919, Band 3, S. 367.