Der Tor-Funktor ist ein mathematischer Begriff aus dem Teilgebiet der homologischen Algebra. Es handelt sich um einen Bi-Funktor, der bei der Untersuchung des Tensorprodukts auftritt. Er ist neben dem Ext-Funktor eine der wichtigsten Konstruktionen der homologischen Algebra.
eine kurze exakte Sequenz von Links--Moduln und Modul-Morphismen und ist ein Rechts--Modul, so führt das Tensorieren obiger Sequenz von links mit zu einer exakten Sequenz
von abelschen Gruppen, die sich im Allgemeinen nicht mit dem Nullobjekt nach links zu einer exakten Sequenz fortsetzen lässt, das heißt ist im Allgemeinen nicht injektiv, oder kurz: Der Tensorfunktor ist rechtsexakt aber im Allgemeinen nicht linksexakt.
Als Beispiel betrachte man die kurze exakte Sequenz
von -Moduln, wobei und die natürliche Abbildung von auf die Restklassengruppe sei. Tensoriert man diese Sequenz mit , so ist nicht injektiv, denn es ist
.
Dabei wurde der Faktor 2 von der torsionsfreien Gruppe mittels Tensoroperation in die Torsionsgruppe verschoben und hat dort zu einer 0 geführt. Das ist der typische Grund, warum die Injektivität des Morphismus beim Übergang zur tensorierten Sequenz verloren geht. Die fehlende Injektivität führt zum Auftreten eines Kerns und gibt Anlass zu folgender Definition.
Es seien ein Rechts--Modul und ein Links--Modul.
Weiter sei
eine kurze exakte Sequenz mit projektivem Modul.
Dann definiert man die abelsche Gruppe
und man kann zeigen, dass diese Definition nicht von der gewählten exakten Sequenz mit projektivem abhängt. Das rechtfertigt die Schreibweise ohne Hinweis auf diese Sequenz. Manchmal fügt man noch den Ring an und schreibt .
Ist ein Morphismus, so entnimmt man dem kommutativen Diagramm
,
dass die Einschränkung von den Kern von nach abbildet und so einen Gruppenhomomorphismus definiert. Auf diese Weise erhält man einen Funktor von der Kategorie der Rechts--Moduln in die Kategorie der abelschen Gruppen.
Weiter kann man die Rollen von und vertauschen, das heißt man geht von der exakten Sequenz von Rechts--Moduln aus und zeigt, dass man mit eine zu obiger Definition natürlich isomorphe Gruppe erhält, die daher ebenfalls mit bzw. bezeichnet werden kann. Insgesamt erhält man so einen Bi-Funktor
von dem Produkt der Kategorie der Rechts-Moduln über mit der Kategorie der Links-Moduln über in die Kategorie der abelschen Gruppen.[1]
Der Tor-Funktor ist additiv, das heißt man hat natürliche Isomorphismen
Wählt man als Grundring, so bewegt man sich in der Kategorie der abelschen Gruppen, denn diese sind genau die -Moduln, und man muss wegen der Kommutativität des Grundrings nicht zwischen Links- und Rechts-Moduln unterscheiden. In dieser Kategorie ergeben sich gewisse Vereinfachungen und man findet einen Zusammenhang zwischen dem Tor-Funktor und der für ihn namensgebenden Torsion von Gruppen.
Die Menge der Erzeuger sei die Menge aller Symbole mit , und , wobei hier die -Modul-Operation nur aus praktischen Gründen einmal links und einmal rechts geschrieben wurde, eine Unterscheidung ist, wie oben erwähnt, nicht nötig. Die Menge der Relationen enthalte alle Ausdrücke der Form
Dann kann man zeigen, dass die durch präsentierte Gruppe zu isomorph ist. Zur Konstruktion einer Abbildung sei
eine kurze exakte Sequenz mit projektivem -Modul und ein Erzeuger. Wähle mit . Dann ist und wegen der Exaktheit gibt es genau ein mit . Man kann zeigen, dass nicht von der Wahl abhängt. Da
,
liegt im Kern von und damit definitionsgemäß in . Die vorgestellte Konstruktion definiert daher eine Abbildung , von der man zeigen kann, dass es sich um einen Gruppenisomorphismus handelt.
lässt sich für endlich erzeugte abelsche Gruppen vollständig berechnen. Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen sind solche Gruppen direkte Summen von zyklischen Gruppen, so dass wegen der Additivität des Tor-Funktors nur noch für zyklische Gruppen zu bestimmen ist. Ist eine der Gruppen gleich , so ist und es bleibt nur noch der Fall endlicher zyklischer Gruppen.
Sei die zyklische Gruppe der Ordnung. Dann folgt[4]
als -te Linksableitung des Tensorfunktors. Ist der Grundring durch den Kontext gegeben, so lässt man ihn in der Bezeichnung fort und schreibt einfach . Man erhält so eine Folge von Bi-Funktoren
.
Verwendet man projektive Auflösungen zur Berechnung von , so sieht man, dass mit dem oben definierten -Funktor zusammenfällt.
Man erhält aus der allgemeinen Theorie folgende lange exakte Sequenzen, die zeigen, wie der Tor-Funktor die fehlende Linksexaktheit des Tensorfunktors kompensiert.[5]
Ist eine kurze exakte Sequenz von Rechts--Moduln und ein Links--Modul, so hat man eine lange exakte Sequenz
.
Ist eine kurze exakte Sequenz von Links--Moduln und ein Rechts--Modul, so hat man eine lange exakte Sequenz
↑P. J. Hilton und U. Stammbach: A course in homological algebra. 2. Auflage, Springer-Verlag, Graduate Texts in Mathematics, 1997, ISBN 0-387-94823-6, Kapitel III.8: The Functor Tor
↑Saunders Mac Lane: Homology, Springer Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Band 114 (1967), Kap. V, § 6, "Torsion Products of Groups"
↑Saunders Mac Lane: Homology, Springer Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Band 114 (1967), Kap. V, Theorem 6.2
↑Saunders Mac Lane: Homology, Springer Grundlehren der mathematischen Wissenschaften, Band 114 (1967), Kap. V, § 6, "Torsion Products of Groups"
↑P. J. Hilton und U. Stammbach: A course in homological algebra. 2. Auflage, Springer-Verlag, Graduate Texts in Mathematics, 1997, ISBN 0-387-94823-6, Kapitel IV.11: The Functor