Gerichte in der Provinz Schleswig-Holstein
Dieser Artikel beschreibt die Gerichtsorganisation in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein.
Ordentliche Gerichtsbarkeit
BearbeitenVorgeschichte
BearbeitenZum Zeitpunkt der Annexion Schleswig-Holsteins durch Preußen 1866 stellte sich die Gerichtsorganisation wie folgt dar:
Herzogtum Holstein
BearbeitenIm Herzogtum Holstein bestanden eine Vielzahl unterschiedlicher Gerichte.
In der ersten Instanz in Zivilrechtsverfahren wirkte in den 14 Städten des Herzogtums der Magistrat als Gericht erster Instanz. Die Bürgermeister waren Juristen und wirkten in kleineren Angelegenheiten (bis 30 Mark) als Einzelrichter. In bedeutenderen Fällen handelte der Magistrat als Spruchkammer.
Auf dem Land bestanden traditionell Volksgerichte. Diese traten aber selten zusammen. In der Praxis wurde die Rechtsprechung durch die Oberbeamten der Ämter vorgenommen. In den Ämtern Plön, Traventhal, Reinfeld und Rethwisch, im Amt Segeberg und in den Landschaften Dithmarschen waren förmliche kollegialische Gerichte erster Instanz eingerichtet, die mit Juristen besetzt waren. Daneben bestanden in großem Umfang Patrimonialgerichte. Diese waren in der Verordnung vom 19. Juli 1805 geregelt worden. Der von Gutsherren bestellte Gerichthalter musste landesherrlich bestätigt werden und mindestens alle vier Wochen im Gutshof Gericht halten.
Für die Geistlichkeit bestanden Unter-Konsistorien als Gerichte erster Instanz. Diese wurden in Altona, Kiel und Neustadt Stadt-Konsistorium genannt und auf dem Land Land-Konsistorium.
Als Gerichte zweiter Instanz bestanden:
- das holsteinische Obergericht in Glückstadt: Es war Gericht erster Instanz für die examinierten Personen und privilegierten Sachen und ansonsten Gericht zweiter Instanz
- das Holsteinische Landgericht in Glückstadt: Es war erste Instanz für die Ritterschaft und die Gutsbesitzer und zweite Instanz für die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte der adligen Güter und klösterlichen Distrikte
- das Ober-Konsistorium in Glückstadt als Gericht für die geistlichen Stände
- das Land-Ober-Konsistorium in Glückstadt als erste Instanz für Ehesachen der Ritterschaft und Besitzer adliger Güter. Es besteht aus den Mitgliedern des Landgerichts und des Ober-Konsistoriums
1834 wurde mit dem Oberappellationsgericht Kiel ein Oberappellationsgericht als Gericht dritter Instanz geschaffen. Es war als oberstes Gericht für Appellationen zuständig. Das Verfahren wurde durch die Provisorische Gerichtsordnung vom 15. Mai 1834 geregelt.
Kriminalgerichte: Kriminal-Untersuchungsgerichte waren die Oberbeamten der Ämter und Landschaften, die Gerichtshalter der adligen Güter, die Obrigkeiten der Klöster und in den Städten die Magistrate. Diese konnten Strafen selbstständig verhängen, wenn die Strafe ein Jahr Zuchthaus nicht übersteigt. Für höhere Strafandrohung ist das Ober-Kriminalgericht (bestehend aus den Mitgliedern des Obergerichtes) zuständig.
Zweite Instanz in Kriminalsachen ist das Ober-Kriminalgericht für die Sachen, die es nicht selbst entschieden hat und das Oberappellationsgericht für die anderen.
Die dritte Instanz bildet das Oberappellationsgericht. Insoweit dieses selbst als Gericht zweiter Instanz entschieden hatte, bestand nur die Möglichkeit der Supplikation beim Landesherren.
Herzogtum Schleswig
BearbeitenIm Herzogtum Schleswig war die Patrimonialsgerichtsbarkeit aufgehoben worden. Auch gab es keine privilegierten Gerichtsstände mehr. Die Gerichtsorganisation verfügte seit 1850 nur über zwei Instanzen:
- Gericht der oberen Instanz war das Appellationsgericht Flensburg.
- In der ersten Instanz waren Verwaltung und Rechtsprechung nicht geteilt. In den Städten waren die Magistrate Gerichte erster Instanz, auf dem Land waren es Einzelrichter mit unterschiedlichsten Bezeichnungen wie Hardes-, Land-, Birk- oder Fleckenvogt.
Lauenburg
BearbeitenVon der Annexion bis zum Deutschen Gerichtsverfassungsgesetz
BearbeitenMit der Annexion durch Preußen wurde die preußische Gerichtsorganisation eingeführt und die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung durchgehend umgesetzt.
In Kiel wurde das Appellationsgericht Kiel als preußisches Appellationsgericht gebildet.
Als Kreisgerichte wurden eingerichtet:
- Kreisgericht Altona
- Kreisgericht Flensburg
- Kreisgericht Itzehoe
- Kreisgericht Kiel
- Kreisgericht Schleswig
Dies ist die Liste der Amtsgerichte:
Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz
BearbeitenMit dem In Kraft treten des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes wurde die reichsweit einheitliche Gerichtsstruktur umgesetzt. Das Appellationsgericht Kiel wurde in das Oberlandesgericht Kiel mit Sitz in Kiel umgewandelt.
Die Kreisgerichte wurden aufgelöst. Stattdessen wurden folgende Landgerichte geschaffen:
- Landgericht Altona (Kreisgericht Altona, Ratzeburg und Teile von Itzehoe), 375.000 Einwohner
- Landgericht Kiel (Kreisgericht Kiel und Teile von Schleswig und Itzehoe), 341.000 Einwohner
- Landgericht Flensburg (Kreisgericht Flensburg und Schleswig außer dem Kreis Eckernförde), 361.000 Einwohner[2]
An Amtsgerichten bestanden nun:
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1919 Nordschleswig dänisch besetzt und 1920 abgetreten. Die dortigen Amtsgerichte wurden aufgelöst bzw. in dänische Gerichte umgewandelt.
Eingliederung von Lübeck 1937
BearbeitenDurch das Groß-Hamburg-Gesetz verlor Lübeck 1937 seine 711 Jahre alte territoriale Eigenständigkeit und wurde Teil der preußischen Provinz Schleswig-Holstein.[4] In diesem Zusammenhang wurde zum 1. April 1937 das Landgericht Altona aufgehoben, das Landgericht Lübeck in den Bezirk des Oberlandesgerichts Kiel eingegliedert und ein neues Landgericht Itzehoe errichtet. Zum Bezirk dieses Landgerichts gehörten von da an die Amtsgerichte Eddelak, Elmshorn, Glückstadt, Itzehoe, Krempe, Marne, Meldorf, Pinneberg, Rantzau, Uetersen, Wilster, Kellinghusen und Schenefeld.[5]
Im Bundesland Schleswig-Holstein
BearbeitenSeit 1948 besteht das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig anstelle des Oberlandesgerichts Kiel. Das 1963 in Kraft getretene Gerichtsorganisationsgesetz regelte die Organisation der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Im 2018 in Kraft getretenen Landesjustizgesetz werden nunmehr neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch die Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes geregelt.
Verwaltungsgerichtsbarkeit
BearbeitenMit dem „Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Verwaltungsstreitverfahren“ (VGG) von 1875[6] und dem „Gesetz, betreffs die Zuständigkeiten der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichtsbehörden“ (Kompetenzgesetz) vom 26. Juli 1876[7] wurde in Preußen eine Verwaltungsgerichtsbarkeit geschaffen. Diese Gesetze galten aber zunächst nur in den östlichen Provinzen. Erst im Laufe der zweiten Hälfte der 1880er erfolgte die Einführung auch in den westlichen Provinzen.
An der Spitze der Verwaltungsgerichtsbarkeit stand das Preußische Oberverwaltungsgericht. Auf Provinzebene war das Bezirksverwaltungsgericht Schleswig als zweite Instanz eingerichtet. Als erste Instanz dienten die Kreisverwaltungsgerichte, die in jedem Landkreis eingerichtet waren.[8]
Arbeitsgerichtsbarkeit
BearbeitenMit dem Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926[9] wurden Arbeitsgerichte eingerichtet. In Schleswig-Holstein wurden 1927 zwei Landesarbeitsgerichte eingerichtet, die organisatorisch Teil der jeweiligen Landgerichte waren. Darunter wurden selbstständige Arbeitsgerichte als erste Instanz geschaffen.
Arbeitsgericht | Landesarbeitsgericht |
---|---|
Arbeitsgericht Altona | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Heide | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Itzehoe | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Pinneberg | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Ratzeburg | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Wandsbek | Landgericht Altona |
Arbeitsgericht Flensburg | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Husum | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Kiel | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Oldenburg (Holstein) | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Neumünster | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Rendsburg | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Westerland | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Wyk auf Föhr | Landgericht Kiel |
Mit dem Groß-Hamburg-Gesetz vom 26. Januar 1937 wurden auch die Arbeitsgerichtsbezirke neu gefasst. Das eine Landesarbeitsgericht wurde von Altona nach Lübeck verlegt. Es ergab sich folgende neue Struktur:
Arbeitsgericht | Landesarbeitsgericht |
---|---|
Arbeitsgericht Ahrensburg | Landgericht Lübeck |
Arbeitsgericht Lübeck | Landgericht Lübeck |
Arbeitsgericht Oldenburg (Holstein) | Landgericht Lübeck |
Arbeitsgericht Elmshorn | Landgericht Lübeck |
Arbeitsgericht Flensburg | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Husum | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Itzehoe | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Kiel | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Neumünster | Landgericht Kiel |
Arbeitsgericht Rendsburg | Landgericht Kiel |
In Bezug auf die Arbeitsgerichtsbarkeit ergab sich ab dem 23. August 1946 folgende Struktur. Es gab nur noch ein Landesarbeitsgericht Rendsburg (später Landesarbeitsgericht Kiel). Dieses war aber nun organisatorisch selbstständig und nicht mehr Teil des Landgerichtes. Darunter waren neun Arbeitsgerichte angesiedelt:
Arbeitsgericht | Aufgelöst |
---|---|
Arbeitsgericht Ahrensburg | |
Arbeitsgericht Elmshorn | besteht |
Arbeitsgericht Flensburg | besteht |
Arbeitsgericht Heide | 1976[10] |
Arbeitsgericht Kiel | besteht |
Arbeitsgericht Lübeck | besteht |
Arbeitsgericht Neumünster | besteht |
Arbeitsgericht Rendsburg | 1976[10] |
Arbeitsgericht Schleswig | 1956[11] |
Literatur
Bearbeiten- Werner Schubert: Zur Geschichte der Justizverfassung in Schleswig-Holstein im 19. und 20. Jahrhundert. 2012, ISBN 978-3-631-63704-3.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Verfügung vom 6. August 1867, betreffend die Einrichtung der nach der Allerhöchsten Verordnung vom 26. Juni d. J. in den Herzogthümern Schleswig und Holstein zu bildenden neuen Gerichte (JMBl. S. 213 )
- ↑ Verordnungen in GS 1878, 275 ff. vom 26. Juli 1878 und 1879, 393 (5. Juli 1879)
- ↑ Carl Pfaffenroth:Jahrbuch der deutschen Gerichtsverfassung. 1880, S. 439 ff. online
- ↑ Gerhard Schneider: Gefährdung und Verlust der Eigenstaatlichkeit der freien und Hansestadt Lübeck und seine Folgen. Verlag Schmidt-Römhild, Lübeck 1986, ISBN 3-7950-0452-7.
- ↑ Gesetz über die Gerichtsgliederung in Groß-Hamburg und anderen Gebietsteilen vom 16. März 1937, RGBl. I S. 312.
- ↑ GS S. 375
- ↑ GS S. 297
- ↑ Ulrich Stump: Preußische Verwaltungsgerichtsbarkeit 1875–1914. 1980, ISBN 3-428-04699-4.
- ↑ RGBl. I S. 507
- ↑ a b § 1 des Gesetzes über die Neueinteilung der Bezirke der Gerichte für Arbeitssachen in Schleswig-Holstein vom 23. Oktober 1974, Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein S. 417.
- ↑ § 1 des Gesetzes über die Neueinteilung der Bezirke der Gerichte für Arbeitssachen in Schleswig-Holstein vom 24. April 1956, Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein S. 77.
- ↑ Beständeübersicht Arbeitsgerichte beim Landesarchiv